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Klingenmünster: Pfälzische Gedenkstätte für Opfer der NS-Psychiatrie
Die Heil- und Pflegeanstalt Klingenmünster war ebenso wie andere Kliniken, Krankenhäuser und Psychiatrien im Rheinland und der Pfalz (z.B. Rheinhessen-Fachklinik Alzey) aktiv in die nationalsozialistische „Euthanasie“ eingebunden. Es ist bekannt, dass ein Großteil der Mitarbeitenden der Pflegeanstalt Klingenmünster bereits vor 1933 der NSDAP zugewandt war, auch Diskurse über die „Minderwertigkeit“ von Menschen mit Behinderung wurden bereits in den 1920er-Jahren propagiert. Das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ vom 14. Juli 1933 bildete die Grundlage für die erzwungene Unfruchtbarmachung von Menschen, die Zeichen von damals als erblich angesehen Krankheiten aufwiesen. Dazu gehörten „angeborener Schwachsinn“, Schizophrenie, Taubheit, Blindheit, körperliche Missbildungen, Alkoholismus oder verschiedene Gehirn- und Nervenerkrankungen. „Erbgesundheitsgerichte“ entschieden über die Zwangssterilisation der angezeigten Personen, derartige Anträge wurden nur selten abgelehnt. Die Zwangssterilisationen wurden in örtlichen Krankenhäusern ohne die Zustimmung der Betroffenen durchgeführt. Hitlers Erlass zum sogenannten „Gnadentod“ von 1939 legitimierte Patientinnen- und Patientenmorde im Rahmen der Tötungsaktion „T4". Die Angehörigen wurden nach der Verlegung und Ermordung postalisch mit gefälschten Todesurkunden über das vermeintlich krankheitsbedingte Ableben informiert. Nach der offiziellen Beendigung der Aktion „T4" wurden die Patientinnen und Patienten in den Einrichtungen durch dezentrale Maßnahmen getötet.
Der Ausschuss für Gedenkarbeit und Geschichte der Psychiatrie des Pfalzklinikums koordiniert seit 2011 die Auseinandersetzung mit der NS-Geschichte des Klinikums. 1993 wurde ein Gedenkstein für die Opfer eingeweiht, 2008 die Gedenkstätte auf dem Klinikfriedhof. Die Dissertation von Christof Beyer (2009) beleuchtet die Geschichte der Klinik, 2012 wurde eine Ausstellung eröffnet.
Ansprechperson: Rita Becker Scharwatz.
Adresse
Weinstraße 102 (Gedenkstätte) Weinstraße 100 (Dauerausstellung im Pfalzklinikum) 76889 KlingenmünsterAnfahrt
Anreise mit dem Auto:
Klingenmünster liegt an der L 48. Die Gedenkstätte und das Pfalzklinikum befinden sich nördlich der Stadt, ebenfalls an der L 48. Unmittelbar gegenüber der Gedenkstätte sind Parkplätze vorhanden. Ebenfalls gibt es ausreichend Parkplätze am Pfalzklinikum.
Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln:
Der nächstgelegene Bahnhof ist Landau. Von dort gibt es eine Busverbindung zur Haltestelle Klingenmünster, Pfalzklinikum.
Praktische Hinweise
- Freier Eintritt
- Barrierefrei
- Frei zugänglich
- Open-air/Freiluftangebot
- Einzelbesucher
- Gruppen
- Dauerausstellung
- Anbindung an den ÖPNV
Wiederkehrende Termine
- Gedenken an die Opfer in der Rheinhessen-Fachklinik Alzey und im Pfalzklinikum „Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus“ / Befreiung des Konzentrationslagerkomplexes Auschwitz
Weiterführende Links
- Gedenkarbeit NS-Psychiatrie in Klingenmünster
Informationen zum Pfalzklinikum in der NS-Zeit sowie Informationen zur Akteneinsicht.
- Rheinhessen-Fachklinik Alzey: Gedenken ist Verantwortung
Artikel über jährliches Gedenken in der Rheinhessen-Fachklinik Alzey am 27. Januar.
- Pfälzische Gedenkstätte für die Opfer der NS-Psychiatrie
Eine Website des Arbeitskreises „Erinnerung in der Großregion“.
- Denkmal für die Opfer der Euthanasie der Alzeyer Klinik
Eine Website des Arbeitskreises „Erinnerung in der Großregion“.
- „Euthanasie“ und Zwangssterilisierungen im Rheinland (1933-1945)
Portal Rheinische Geschichte, Informationen zu Zwangssterilisationen im Rheinland, u.a. Regierungsbezirk Koblenz (u.a. Bad Kreuznach Klinikum).
- Arbeitsgruppe NS-Psychiatrie in Alzey
AG NS-Psychiatrie in Alzey, Kontaktinformationen.
Videos
- Video: Franziska Kaiser: Zwangssterilisation und “Euthanasie”
Das Video wurde für die Ausstellung „Neustadt a. d. Weinstraße und der Nationalsozialismus“ angefertigt und beleuchtet den Umgang mit (vermeintlich) „behinderten“ Menschen in der NS-Zeit und stellt dabei exemplarisch drei Krankenschicksale vor.
- SWR Landesschau Rheinland-Pfalz : Von den Nazis sterilisiert: Das schlimme Schicksal des Josef Kaiser aus Speyer
Fünfminütige Reportage über Josef Kaiser aus Speyer, *1921, gest. 1991, der als Sohn eines französischen Soldaten aufgrund seiner Hautfarbe verfolgt wurde und als „Rheinlandbastard“ diskriminiert, er wurde im städtischen Krankenhaus in Ludwigshafen in der NS-Zeit zwangssterilisiert. Seine Witwe hat seine Geschichte gemeinsam mit dem Autor Michael Lauter in einem Buch aufgeschrieben.
Sonstige digitale Angebote
- Pfalzklinikum, Bezirksverband Pfalz: NS-Psychiatrie in der Pfalz
Digitale Ausstellung zum Pfalzklinikum in der NS-Zeit, als Wanderausstellung unentgeltlich ausleihbar, digitaler Ausstellungsrundgang auf der Homepage möglich.
- Haus des Erinnerns für Demokratie und Akzeptanz Mainz: Ausstellung „Euthanasie“ - "Das Leben war jetzt draussen, und ich war dort drinnen"
Ausstellung des Haus des Erinnerns für Demokratie und Akzeptanz Mainz zum Thema Euthanasie in Mainz und Rheinhessen.
- Franziska Kaiser: Zwangssterilisation und „Euthanasie“. Entmündigt, Verfolgt, Sterilisiert, „Verlegt“, Vernichtet
Ausstellungsplakat für die Ausstellung „Neustadt a. d. Weinstraße und der Nationalsozialismus“.
- Barbara Jahn : Klingenmünster, Heil- und Pflegeanstalt
Artikel zur Anstalt in Klingenmünster im Lexikon "Neustadt im Nationalsozialismus".
- mPublish Neustadt und Nationalsozialismus (verantwortlich multimediales Schulgeschichtsbuch: Katharina Kaiser, Clara-Louise Noffke, Caroline Klausing, Meike Hensel-Grobe) : Menschen mit (vermeintlicher) Behinderung, sogenannte „Asoziale“ und „Homosexuelle“
Kapitel in digitalem Schulbuch zu Nationalsozialismus in Neustadt an der Weinstraße, didaktisch und methodisch für den Einsatz im Unterricht aufbereitet.
Publikationen
- Monika Pritzel und Reinhard Steinberg (Hrsg.) (2012): 150 Jahre Pfalzklinikum. Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde in Klingenmünster
Verschiedene Beiträge zur Klinik während der Zeit des Nationalsozialismus, Krankenaktenanalysen, Befragung von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen.
- Christof Beyer (2009): Von der „Kreis-Irrenanstalt“ zum Pfalzklinikum. Eine Geschichte der Psychiatrie in Klingenmünster
Dissertation, gesamthistorische Darstellung von Gründung im 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart, ca.40 Seiten zur NS-Psychiatrie.
- Karl Scherer (2003): Die Heil- und Pflegeanstalt Klingenmünster 1933-1945
Schwerpunkt NS-Zeit, Forschungsstand Anfang 2000er, 3. Auflage.
- Gerrit Hohendorf (Hrsg.) (2014): Die „Euthanasie“-Opfer zwischen Stigmatisierung und Anerkennung. Forschungs- und Ausstellungsprojekte zu den Verbrechen an psychisch Kranken […]
S. 99-113: Georg Lilienthal, Ingo Harms, Dietmar Schulze, Ralph Höger, Anna Gardon, Maike Rotzoll: Nach dem Krankenmord. Struktur und Alltagsleben ehemaliger Tötungsanstalten in den vier Besatzungszonen 1945-1955 am Beispiel der Heil- und Pflegeanstalten Hadamar, Wehnen, Großschweidnitz und Klingenmünster.
- Hans Berkesse und Cornelia Dold (Hrsg.) (2022): „Das Leben war jetzt draußen, und ich war dort drinnen.“ Zwangssterilisationen und Ermordung im Rahmen der NS-„Euthanasie“ und ihre Opfer in Mainz und Rheinhessen
Sammelband zum Schicksal von Psychiatriepatientinnen und -patienten in Mainz und Rheinhessen in der NS-Zeit und dem NS-Gesundheitswesen, mit Beiträgen von Renate Rosenau, Juliane Eschler, Cornelia Dold u.a. Gefördert durch die Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz und das Ministerium für Wissenschaft und Gesundheit Rheinland-Pfalz.
E-Books
- Gisela Drescher-Müller: Einstellungen und Verhaltensdispositionen der Anstaltspsychiater zur Zwangssterilisation bei schizophrenen Frauen während des Nationalsozialismus (Kurztitel)
Analyse von Krankenakten hinsichtlich der ärztlichen Entscheidungsfindungen im Zwangssterilisationsprozess bei Frauen, Thema „Wiedergutmachungsverfahren“ nach 1945.
- Landtag RLP: Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus in der Rheinhessen-Fachklinik Alzey
Plenarprotokoll 16/111 (2016) Gedenken im rheinland-pfälzischen Landtag.
- Rheinhessen-Fachklinik Alzey (Hrsg.): 100 Jahre Rheinhessen-Fachklinik Alzey 1908-2008
Kapitel IV: Renate Rosenau, Gunda John, Hedi Klee (Mitarbeit): Die Alzeyer Landes- Heil- und Pflegeanstalt in der Zeit des Nationalsozialismus S. 66-104.
- Hedwig Brüchert: Nationalsozialistischer Rassenwahn. Entrechtung, Verschleppung und Ermordung der Mainzer Juden, Sinti und geistig behinderten Menschen
Aufsatz aus Ausstellungsbegleitband: Der Nationalsozialismus in Mainz 1933-1945 Terror und Alltag, hrsg. von der Stadt Mainz (Wolfgang Dobras), Mainz 2008.
- Hans-Georg Vorndran: „Wohin bringt ihr uns?“ Der Massenmord an psychisch kranken und geistig und körperlich behinderten Menschen im Nationalsozialismus. Materialien und Anregungen für den Unterricht
Unterrichtsreihe als E-Book anlässlich der Aufstellung einer Gedenkstele für „Euthanasie“-Opfer im Landkreis Groß-Gerau (2013). Herausgegeben von: Kreisvolkshochschule Groß-Gerau.